Über Deportation und Verbannung
Allgemeines zur Vorgeschichte der
Verschleppung von Rumäniendeutschen in die Sowjetunion
(Kleiner Tipp im Vorab:
Beim Anklicken aller unterstrichenen Bezeichnungen im Text
könnt Ihr Euch die Erklärungen dazu in Wikipedia angucken.
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Seit dem Ersten Weltkrieg und auch während des Zweiten Weltkrieges war Rumänien ein treuer Verbündeter Deutschlands. Am 23. August 1944, als die sowjetischen Panzer die rumänische Grenze im Osten des Landes überschritten und die deutschen Resttruppen Richtung Berlin zurückdrängten, beendete der rumänische König Michael I. (1927–1930 und 1940–1947) von Hohenzollern ganz abrupt und unerwartet sein Waffenbündnis mit dem nationalsozialistischen Deutschland und Rumänien schlug sich auf die Seite der Alliierten bis zur endgültigen Kapitulation Deutschlands. Die Sowjets überrollten Rumänien, und als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, stand Rumänien allein da, gänzlich den sowjetischen Besatzern ausgeliefert, die ihre Truppen in ganz Rumänien stationiert hatten.
Bereits im Februar 1945 beschlossen die Alliierten (sprich: Stalin und Churchill) konkrete "Reparationsleistungen“ Deutschlands an die Siegerstaaten und speziell an die Sowjetunion (Abgabe von Maschinen und von kompletten deutschen Industrieanlagen an die Sowjetunion). Und dann auch deutsche Arbeitskräfte, die an die UdSSR "geliefert", also deportiert werden sollten, um das Land aufzubauen.
Das bedeutete ganz konkret auch für Rumänien die sofortige Registrierung aller „Volksdeutschen“ zwecks Deportation in die Arbeitslager der Sowjetunion. Dafür vorgesehen waren Kriegsverbrecher und Deutsche, die während des Krieges aktiv als Nazis agierten, zwecks ihrer Bestrafung und Umerziehung zu "guten Bürgern". Deportiert wurden jedoch meistens Männer und Frauen, die keine direkte Verantwortung für den Krieg trugen. Es reichte, wenn einer Deutscher war. Und das waren die Eichenthaler im Banat allemal!
Für die sowjetischen Arbeitslager sollten alle damaligen "volksdeutschen" Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren und alle Frauen im Alter von 18 bis 33 Jahren verpflichtet werden. Nur Frauen mit Säuglingen unter einem Jahr waren von dieser Pflicht ausgenommen. Es gab aber auch viele Ausnahmen von diesen "Regelungen", abhängig von Region zu Region, manchmal sogar von Dorf zu Dorf...
Nach der Registrierung aller arbeitsfähigen Deutschen in Rumänien, mussten sich die betroffenen Personen in den Sammelstellen – das waren hauptsächlich Schulen - zum Abtransport melden. Sollte eine registrierte Person nicht „freiwillig“ im Sammelort erscheinen, nahm man eine „Ersatzperson“ aus der Familie, egal wie jung oder alt diese war, hauptsächlich arbeitsfähig.
WIKIPEDIA nennt folgende Zahlen, was "volksdeutsche" Verschleppte in sowjetischen Arbeitslagern angeht:
130.000 Deutsche aus ganz Südosteuropa, darunter 75.000 Menschen nur aus Rumänien;
aus dem Banat waren es 35.000.
Etwa 15 % der Russlanddeportierten aus Rumänien starben während der Deportation. Weitere Menschen starben nach der Rückkehr in die Heimat an den direkten Folgen der Verbannung.
Viele Jahre später, in den 1990er Jahren, gab es Versuche zur Rehabilitation all derjenigen Rumäniendeutschen, die nach Russland zwangsverschleppt wurden. Die rumänische wie auch die deutsche Regierung erkannten die Tatsache an, dass die Russlanddeportation widerrechtlich und allein auf Basis der Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit geschah. So wurden zumindest die Deportation und die Zwangsarbeitsjahre per Dekret (118 / 1990) als Dienstjahre bei der Berechnung der Rente angerechnet.
Und auf moralischer Ebene entschuldigte sich 1997 der rumänische Außenminister Adrian Severin beim deutschen Außenminister Klaus Kinkel nicht nur für das Unrecht, das der deutschen Bevölkerung während der kommunistischen Diktatur zugefügt worden war, sondern verurteilte u.a. auch das Leid, das man den Rumäniendeutschen durch die Verschleppung zur Zwangsarbeit in sowjetische Arbeitslager zugefügt hatte. Das war aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein zur Wiedergutmachung des unermesslichen Leids einer ganzen Volksgruppe, die diskriminiert wurde, einzig und allein dafür, dass sie Deutsche waren.
Noch vor dem eigentlichen Kriegsende im April 1945 durch die Kapitulation Deutschlands, also schon Anfang Januar 1945, wurden 57 "volksdeutsche" Eichenthaler Frauen ab dem 18. Lebensjahr und Männer ab dem 17. zu 5 Jahren Zwangsarbeit in ein ukrainisches Lager der ehemaligen Sowjetunion deportiert, um dort für den Wiederaufbau des sowjetischen Siegerstaates für Reparationsleistungen in Kohlengruben, Steinbrüchen, bei Eisenbahnlinien-, Straßen- und Tunnelbauarbeiten, im kaukasischen Donbass-Gebiet, im Gulag von Sibirien oder im äußersten eisigen Norden eingesetzt.
Das Kohlengrubenlager "Romanka", der Schacht Nr. 9, wo meine Mutter untertags schuftete, liegt gemäß WIKIPEDIA in der Region Krasnodar, im Donbassgebiet , wo sich das Kriegsgefangenenlager Nr.148 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs befand.
Im Nordkaukasus bestanden 12 Lagerverwaltungen mit 129 Einzellagern, darunter auch "Romanka".
Nr. Städte mit
Lager Lagerverwaltungen
147 Georgijewsk
148 Krasnodar
182 Schachty
228 Dsaudschikau
(Ordschonikidse)
237 Grosny
251 Rostow am Don
356 Taganrog
379 Machatschkala
421 Rostow am Don
424 Naltschik,
später Melitopol
430 Nowotscherkassk
475 Rostow am Don
Und hier sind die Namen aller Eichenthaler, die nach Russland zwangsverschleppt waren. Ihre Namen entnahm ich unserem "Eichenthaler Heimatbuch". All diejenigen unter ihnen, die in den sowjetischen Arbeitslagern ums Leben kamen, liste ich weiter unten separat auf. Und das hier sind alle nach Russland Verschleppten. Ganz zuletzt steht auch der Name meiner Mutter, geborene Margarete Wosnek:
Zwangsverschleppt nach Russland:
Paul ADAM (geb. 1928)
Maria BOHMANN (geb. 1924)
Peter BOHMANN (geb. 1929)
Rosalia FISCHER (geb. 1927)
Maria FRITZ (geb. 1920)
Adam HALLABRIN (geb. 1928)
Anna JERHOFF (geb. 1922)
Barbara JERHOFF (geb. 1923)
Martin JERHOFF (geb. 1928)
Theresia JERHOFF (geb. 1926)
Theresia KÖSTNER (geb. 1918)
Maria KRAPFL (geb. 1924)
Nikolaus KRUSE (geb. 1926)
Rudolf KRUSE (geb. 1901)
Anna LIEGL (geb. 1921)
Georg LIEGL (geb. 1928)
Margarete LIEGL (geb. 1926)
Anton MEISNER (geb. 1907)
Katharina MILLICH (geb. 1922)
Anna PETRI (geb. 1917)
Anna PETRI (geb. 1923)
Anna PETRI (geb. 1926)
Anton PETRI (geb. 1903)
Anton PETRI (geb. 1928)
Magdalena PETRI (geb. 1924)
Margarete PETRI (geb. 1922)
Rosalia PETRI (geb. 1926)
Sepp PETRI (geb. 1905)
Anton PFAFFL (geb. 1927)
Lorenz PFEIFFER (geb. 1927)
Andreas RETTINGER (geb. 1926)
Franz RETTINGER (geb. 1904)
Theresia SCHESTAK (geb. 1915)
Eva SCHNEIDER (geb. 1925)
Franz SCHNEIDER (geb. 1928)
Lorenz SCHNEIDER (geb. 1927)
Margarete SCHWARZ (geb. 1926)
Josef STEMPER (geb. 1905)
Katharina STEYER (geb. 1927)
Sepp WELSCH (geb. 1903)
Hans WERSCHING (geb. 1914)
Paul WOLF (geb. 1927)
Luise WOSNEK (geb. 1922)
Margarete WOSNEK (geb. 04.10.1927) - meine Mutter
OPFER der Verschleppung:
Von den 57 in die Sowjetunion verschleppten Eichenthalern starben 13, entweder während der sowjetischen Verbannung unter menschenunwürdigsten Arbeits- und Lebensbedingungen oder kurz nach ihrer Rückkehr, als direkte Folge dieser Verbannung.
Hier sind ihre Namen, entnommen auch aus dem gleichen Buch:
Anton BOHMANN (geb.1928 - 1946 verstorben in Russland)
Johann BOHMANN (1902 - 1945 verstorben in Russland)
Nikolaus BUSCHBACH (1926 - 1947 tödlich verunglückt in Russland)
Friedrich HALLABRIN (1906 - 1945 verstorben in Russland)
Michael HALLABRIN (1901 - 1945 verstorben in Russland)
Katharina KÖSTNER (1915 - 1948 verstorben in Russland)
Martion KÖSTNER (1906 - 1947 verstorben in Eichenthal)
Josef LUKAS (1903 - 1945 verstorben in Russland)
Barbara PESCHKA (1912 - 1946 verstorben in Russland)
Anton PFAFFL (1903 - 1945 verstorben in Russland)
Peter TRAUM (1920 - 1946 verstorben in Eichenthal)
Jakob WELSCH (1900 - 1946 verstorben in Russland)
Elisabeth WISCHAR (1920 - 1946 verstorben in Russland)
Ruhet alle in Frieden!
Eines der Opfer der Deportation war auch unser Eichenthaler Landsmann, Johann BOHMANN, geboren 1902 in Wolfsberg. Er wurde genau so wie weitere 56 Eichenthaler nach Russland verschleppt, wo er ab dem 19. Januar 1945 für mindestens 5 Jahre zum Wiederaufbau der UDSSR verpflichtet war. Er verstarb schon am 29. Juli 1945, kaum ein halbes Jahr nach seiner Deportation.
Seine Enkelin Eva stellte mir diese Urkunden ihres Großvaters zwecks Veröffentlichung in dieser Homepage zur Verfügung, wofür ich ihr sehr dankbar bin.
Dies ist die Sterbeurkunde aus der ehemaligen Sowjetunion:
Und das ist die deutsche Übersetzung dazu, die wohlweislich den genauen Ort des Todeseintritts nicht preisgibt:
Und hier ist nochmals die Bescheinigung, dass Johann Bohmann nach Russland deportiert war. Ein Tag nach seinem Arbeitseinsatz vom 28. Juli 1945, verstarb er leider viel zu früh, am 29. Juli 1945.
Wir alle trauern sehr um unseren Eichenthaler Landsmann, der in jener schweren Nachkriegszeit, Frau und Kinder im Heimatdorf zurück ließ:
Alle diese menschlichen Opfer waren für ein kleines Banater Schwabendorf wie Eichenthal mit seinen ca. 400 Bewohnern ein erheblicher Verlust, besonders in jener Nachkriegszeit, in der alle Kräfte für die eigene Familiehätten eingesetzt werden müssen, um die großen seelischen, aber auch wirtschaftlichen und finanziellen Verluste, die der Krieg mit sich brachte, zu überwinden: Kriegsgefangenschaft und Inhaftierungen, Flucht und Vertreibung, Zwangsabgaben und Enteignungen.
Meine Mutter erzählte mir neulich zum ersten Mal, nach vielen Jahren des Schweigens, ganz viele Einzelheiten über jene schwere Zeit in sowjetischer Haft, von Anfang an bis zu ihrer Entlassung aus dem sowjetischen Gulag "Romanka", einem Kohlenrevier im ukrainischen Donezbecken.
In unserer Kindheit und Jugend machte sie manchmal nur Andeutungen darüber, wie:
"ihr habt es heute gut",
"ihr wisst ja nicht, was richtiges Arbeiten heißt",
"seid froh, dass ihr nie richtig Hunger gelitten habt",
"seid dankbar, dass ihr was Vernünftiges auf dem Teller habt",
"werft kein Brot und Essen unüberlegt weg,
andere hätten damit lange leben können",
"lasst nie wieder Krieg zu" ...
Über jene Jahre, die sie in Russland als Zwangsverschleppte verbrachte, werde ich Euch im nachfolgenden Kapitel "Deportation 2" erzählen, denn ich bin mir ganz sicher, dass sich so mancher in dieser wahren Geschichte wiedererkennt.
Es weilen bestimmt nicht mehr viele unserer Eltern oder Großeltern unter uns, die jene harten und entbehrungsreichen Zeiten miterlebt haben, doch es ist vielleicht ganz gut, wenn wir die Erinnerung daran wach halten.
In der Stadt Reschitz (Reșița), im Banater Bergland, da wo meine Eltern lebten, wo mein Vater 1993 gestorben und auch beerdigt ist, gibt es seit einigen Jahren ein Denkmal zu Ehren aller Russlanddeportierten. Da sind die Namen aller Arbeitslager eingraviert, wohin Banater Berglanddeutsche zur Zwangsarbeit verschleppt worden sind. Auch der Name
Romanka
steht dort drauf. Jährlich finden dort feierliche Gedenkstunden statt, um die Erinnerung an das Leid so vieler Unschuldigen zu erinnern:
Und so sieht das Denkmal heute in Reschitz aus:
Macht's gut! Und vergesst nicht!
Das wünscht Euch allen,
Annala,
heute, am 21. Juli 2013
und aktualisiert am 19. Januar 2025