Geschichten rund um den Maibaum
Auch die Eichenthaler haben den 1. Mai
gefeiert, und zwar besonders damals, als
dieser noch kein sozialistischer "Tag der Arbeit"
war, damals in den 1940er Jahren, als meine
Mutter noch ein ganz junges und hübsches
Mädel war.
Am Vortag zum 1. Mai hat man in Eichenthal
einen schönen Brauch gefeiert:
das Maibaumstecken.
Ihr kennt doch die Akazienbäume oder - wie
sie korrekt heißen - die Robinien - mit ihren
unverkennbaren vielen kleinen Blättern und
ihren schönen weißen und wohlduftenden
traubenartig herabhängenden Blüten
vom Mai bis Juni ?
Und so sah der blühende Baum im Mai - Juni,
je nach Wetterlage, aus. Schön, nicht wahr?
Nun, davon wuchsen ganz viele in Eichenthal,
und sie säumten die Straßen, Gassen, aber
auch die Fluren, Wiesen und die kleinen
Wälder nahe Eichenthal.
Und sie vermehrten sich ganz schnell und
eigneten sich damals ausgezeichnet fürs
Maubaumstecken.
Mama ist leider am 30.September 2022 -
vier Tage vor ihrem 95. Geburtstag -
leider verstorben. Doch an ein ganz
besonderes Maibaumstecken aus ihrer
Jugendzeit konnte sie sich auch bis
zuletzt noch klar erinnern:
Sie war damals ein junges Mädchen,
so um die 15 - 16 Jahre jung:
Schon einen Tag vor dem 1. Mai schnitten
die Eichenthaler Handwerksburschen paar
kleine Akazienbäumchen oder etwas stärkere
Akazienäste ab und steckten diese, geschmückt
mit farbigen Bändern, vor dem Haus ihres
Handwerksmeisters in den Boden. Dies
geschah aus Dank für die gute Ausbildung,
die der Meister seinen Gesellen gegeben hatte.
So standen "Maibäumchen" vor dem Haus
vom Meissner Vedder Toni (Wagnermeister),
vom Meissner Vedder Pheder (Schmiedemeister),
vom Jerhoff Vedder Matz (Schmiedemeister)
und bei vielen anderen auch.
Und für die große Ehre, die dem Meister auf
diese Weise gezeigt wurde, spendierte die
Hausfrau den Buben ein Glas Wein und Kuchen.
Erst eine Woche später wurden diese Mai-
bäumchen wieder weggeräumt und entsorgt.
Am Spätnachmittag wurde dann im Kulturheim
bis spät am Abend flott in den Mai hinein getanzt.
Doch der Maifeiertag wurde oft auch auf eine
andere Art und Weise, zwar lustig, aber
doch weniger erfreulich gefeiert. Da gab's
Schabernack und Hänseleien, die oft in Unfug
ausarteten, was besonders die älteren Lands-
leute ärgerte, die eine hübsche Tochter im
besten "Heiratsalter" hatten, die aber noch
niemandem fest versprochen war, sondern
der nur der Hof gemacht wurde.
Meine Mutter, die damals junge Gredl,
erinnert sich auch heute noch an paar
Streiche in einer solchen 1. Mainacht:
Da gab's den Niklos K., einen jungen Eichenthaler,
der ihr "hofierte", was natürlich auch die anderen
Burschen im Dorf wussten. Nun, die Burschen
hoben klammheimlich und in aller Stille
einen Fensterladen an ihrem Elternhaus aus
und versteckten diesen im Hause ihres
heimlichen Anbeters.
Na, das gab dann ein Donnerwetter in Gredls
Elternhaus! Doch dem Vater blieb nichts
anderes übrig, als das gute Stück zu suchen,
nach Hause zu bringen und an seinem
alten Platz am Fenster zu befestigen.
Gredl freute sich diebisch, dass dies alles ein
gutes Ende nahm und dass sie deswegen
ihren Freund nicht verlor. Der 2. Weltkrieg
trennte die beiden jedoch bald fürs ganze
Leben. Sie wurden beide für viele Jahre
nach Russland zur Zwangsarbeit deportiert,
gingen danach im Leben auch getrennte
Wege und gründeten ihre eigenen Familien.
Und dennoch blieben sie weiterhin in freund-
schaftlichem Kontakt zueinander. Niklos
rief bis zu Mamas Tod in 2022 regelmäßig
bei ihr in Königsbrunn an. Inzwischen ist
auch Niklos K. verstorben, im April 2024.
Aber vielleicht erzählen sie sich auch jetzt
noch im Himmel ihre alten Erinnerungen.
Und nun wieder zurück zum 1.-Mai-Geschehen
der 1940er Jahre in Eichenthal...
Auch bei Mutters Freundin und Kusine, dem
Fischer Rosl, schlugen die gutgelaunten
Dorfburschen mal tüchtig zu:
In der Dunkelheit des Abends stibitzten sie
die ganze frisch gewaschene Wäsche vom
Vortag, die so schön am Dachboden oder
im "Schopp" (Schuppen) zum Trocknen hing,
drehten und formten diese zu einer großen
Puppe und hängten sie - zum größten Ärger
der Familie - auf einen hohen Baum vor
dem Haus der Fischers.
Wer diese "Puppe" wohl von dort wieder runter
geholt hat, das wusste meine Mutter bis zuletzt
nicht mehr.
Bei anderen Dorfnachbarn wurde sogar die
Hoftür ausgehoben und bei einem anderen
Nachbarn versteckt, bis diese wieder gefunden
und zurück gebracht werden konnte. Das war
dann nicht mehr sooo lustig, denn der Bauer
konnte seine Haustiere nicht aus dem Stall
in den Hof lassen, da sie ja ungehindert in
die weite Welt hätten raus spazieren können.
Es war trotz allem doch immer schön
abwechslungsreich und auch nie langweilig
in Eichenthal, wenn der 1. Mai mal da war!
Und so richtig böse wurde niemand wegen der
Maispäße, denn die Eichenthaler verstanden
sehr wohl, dass es dabei ja immer nur um
Spaß und Scherz ging.
Und die verstand jeder Eichenthaler!
Feiert auch Ihr schön und bleibt gesund!
Das wünscht Euch allen,
Annala
heute, am 1. Mai 2014
aktualisiert heute, am 1. Mai 2019
und am 1. Mai 2024